Teamarbeit fördern: Wie Sie echten Teamgeist vorleben und belohnen

Praktisch überall muss „im Team“ gearbeitet werden und „Teamfähigkeit“ gehört zum Standardvokabular in Stellenanzeigen. Aber was heißt das schon? In der Realität werden Boni auf der Basis individueller Zielvereinbarungen gezahlt und die nächste Beförderung geht an die Person, die sich am besten verkauft. 

Wie können Unternehmen die Zusammenarbeit in den Teams verbessern und echten Teamgeist fördern? Team-Building-Maßnahmen sind nett, jedoch maximal eine Ergänzung. Der Schlüssel liegt vor allem in drei Bereichen: 

  • Teamarbeit muss belohnt werden, anstelle von Einzelleistungen
  • Führungskräfte müssen den Teamgeist vorleben
  • Unternehmen müssen die „richtigen“ Mitarbeitenden auswählen

Warum funktioniert das oft noch nicht? Was können Sie in diesen drei Bereichen tun?

Teamfähigkeit ist oft nur eine Floskel

Geben Sie es ruhig zu, Sie haben auch dieses eine Wörtchen in Ihren Stellenausschreibungen: Teamfähigkeit. Klingt gut. Schaut man mal genauer hin, heißt Team oft nur: gemeinsamer Vorgesetzter, vielleicht gemeinsames Büro, ein gemeinsamer Themenbereich. Man trifft sich in Meetings, persönlich und virtuell, geht zusammen in die Kantine. 

Aber so richtig Teamwork? Im Endeffekt kämpft jeder für sich, arbeitet an seiner persönlichen Zielerreichung und an der nächsten Karrierestufe. Was für das Team und den gemeinsamen Erfolg am besten wäre, hat nur solange Priorität, wie es das eigene Vorankommen nicht behindert. Am Ende ist sich jeder selbst der Nächste, wie der Volksmund sagt. Warum ist das so? 

Unternehmen setzen Anreize für egoistisches Verhalten

Andersherum gefragt: Wann würden Sie den Erfolg des Teams über Ihre eigenen Ziele und Vorteile stellen? Nur dann, wenn Sie persönlich konkret etwas davon haben. Und zwar nicht nur ein gutes Gewissen und die Sympathie Ihres Teams. Sondern: Anerkennung, Karrierechancen, finanzielle Vorteile. 

In Firmenbroschüren und auf Betriebsversammlungen wird von Teamarbeit geschwärmt und die tolle Gesamtleistung „der Belegschaft“ gelobt. Aber wer macht wirklich Karriere? Die, die sich selbst am überzeugendsten verkaufen. Wer bekommt eine Auszeichnung? Die mit dem höchsten Vertriebsumsatz. Wer darf sich über üppige Boni freuen? Die, die ihre individuell vereinbarten Jahresziele erreicht haben. 

Auszeichnungem für die besten Teamplayer, für Hilfsbereitschaft und für herausragende Leistungen im Dienste des Betriebsklimas wurde meines Wissens noch nie vergeben – geschweige denn werden auf dieser Basis Boni ausbezahlt. Voller Einsatz für den Teamerfolg lohnt sich in den meisten Fällen leider nicht.

Individuelle Ziele beeinträchtigen den Unternehmenserfolg

Das ist kontraproduktiv. Nehmen wir individuelle Zielvereinbarungen und Boni als Beispiel. Stimmen Sie Zielvereinbarungen einzelner Mitarbeiter aufeinander ab? Das passiert selten. Die Folgen:

  • Produktmanager A soll ein neues Produkt erfolgreich im Markt platzieren, Vertrieblerin B plant dafür aber keine Vertriebsressourcen bereit, weil sie umsatzgebunden bezahlt wird und lieber auf die Cashcows setzt. 
  • Supportmitarbeiter C ertrinkt in Reklamationen, weil Produktmanager A ein total verbuggtes Produkt noch unbedingt vor Jahresende fertigstellen wollte – so lautete eben sein Ziel. 
  • Mitarbeiterin D hat nach Erreichen ihrer Jahresziele die Arbeit längst eingestellt, um die Messlatte fürs kommende Jahr nicht unnötig hoch zu legen; und blockt alle Initiativen aus dem Team beharrlich ab. 

Individualziele verhindern oftmals vernünftige Entscheidungen und gesamtunternehmerisches Denken. Sie fördern teilweise sogar ein Gegeneinander, statt Teamgeist. Gelobt sei, was mich auf meine nächste Bonusstufe bringt. Aus genau diesem Grund hat beispielsweise Robert Bosch 2015 die individuelle Komponente bei den Bonuszahlungen abgeschafft, mehr Geld gibt es jetzt nur noch abhängig vom Bereichs- oder Unternehmenserfolg.

Teamleistungen feiern, statt Einzelerfolge

Auch die Konzentration immer nur auf die Besten, auf einzelne Mitarbeiter, ist nicht wirklich förderlich. Wo würde Ihr Unternehmen stehen, wenn sie nur noch Ihre sogenannten Top-Performer hätten? Ohne die Kollegen, die Tag für Tag engagiert die Routineaufgaben abarbeiten, wäre es mit der Leistung schnell dahin. 

In der agilen Entwicklung (SCRUM) setzt man auf Teams, die sich selbst organisieren und intern die Aufgaben verteilen. Wer dort die Killer-Features programmiert, wer nach Bugs sucht und wer für Koffein-Nachschub sorgt: unerheblich. Was zählt, ist das Endergebnis. 

Und das ist optimal, wenn das Team reibungslos zusammenarbeitet. Wenn alle Mitarbeitenden entsprechend ihren Fähigkeiten an der Stelle eingesetzt werden, wo sie für das Team den höchsten Wert schaffen. Viele Tätigkeiten, die für ein Unternehmen extrem wertvoll sind, passieren im Hintergrund und können kaum an irgendwelchen Leistungszielen gemessen werden.

Wenn Sie wirklich teamfähige Mitarbeiter haben möchten, die unternehmerisch denken und im Sinne des Unternehmenserfolgs handeln, dann setzen Sie die richtigen Anreize. Zeichnen Sie die tollsten Teams aus, die begeisterndsten Bereiche, die unermüdlichsten Unterstützer, die altruistischsten Assistenten. Belohnen Sie alle, wenn es gut läuft.

Das bedeutet nicht, dass Sie individuelle Zielvereinbarungen und Boni für Einzelleistungen komplett abschaffen müssen. Sorgen Sie jedoch für die richtige Balance und stimmen Sie die Individualziele aufeinander ab. Das ist aufwändig – aber der einzig mögliche Weg, wenn Sie Teamarbeit fördern und Teamgeist belohnen möchten.

Führungskräfte müssen Teamgeist vorleben

Möchten Unternehmen eine kooperative Kultur fördern und die Zusammenarbeit in den Team verbessern, müssen sie oben anfangen: Im Top-Management und bei den Führungskräften. Es beginnt bei der Kommunikation. Stellen alle nur die eigenen Leistungen in den Vordergrund oder verkaufen gar die Erfolge anderer als die eigenen? Dann muss sich niemand wundern, wenn auch in den Teams jeder für sich kämpft.

Führungskräfte müssen Werte wie Respekt und Loyalität vorleben. Sie dürfen keine Entscheidungen treffen, die gut für ihre persönliche Karriere sind, aber dem Team schaden. Laut dem Konzept des Agile Leadership müssen sich Führungskräfte zurücknehmen und eine Rolle als Coaches oder Trainer einnehmen. Sie tun alles, damit die Teams ihre vollen Potenziale entfalten und die besten Leistungen erbringen können. Sie teilen die Verantwortung mit den Teams – genauso wie die Lorbeeren für die Erfolge.

Egoisten haben keinen Platz im Team

Anreizsysteme und gute Vorbilder können jedoch nur wirken, wenn die beteiligten Menschen selbst motiviert sind – wenn sie wirklich im und für das Team arbeiten wollen. Wenn das Team aus egozentrischen Individualisten besteht, die ihre eigenen Interessen über alles stellen und für ihre Karriere über Leichen gehen, hilft alles nichts.

Wie können Unternehmen solche Kandidat*innen von vornherein aussortieren? Das Problem: Solche sogenannten toxischen Mitarbeitende sind extrem leistungsorientiert, sehr produktiv, und sie können sich selbst hervorragend verkaufen. Vordergründig sind sie absolute Traum-Kandidat*innen. Selbst wenn im Auswahlprozess charakterliche Schwächen sichtbar werden, ist die Versuchung groß, die potenziellen High Performer trotzdem einzustellen.

Doch woran erkennen Sie Menschen, die echten Teamgeist mitbringen und sich für den gemeinsamen Erfolg ins Zeug legen? Solche Qualitäten sind nicht mit einfachen Filterkriterien zu erfassen.

Werte als Kriterien für die Personalauswahl definieren

Unternehmen müssen konkret die Werte definieren, die sie sich bei ihren Mitarbeitenden wünschen: Empathie, Vertrauenswürdigkeit, Rückgrat, Ehrlichkeit. Wie finden sie heraus, welche Werte in ihrer Unternehmenskultur speziell wichtig sind? Zum Beispiel, indem sie analysieren, welche Eigenschaften ihre aktuell besten Mitarbeitenden auszeichnet; „beste“ im Sinne von teamfähig, bereichernd und wertvoll für ihr Team und das Unternehmen.

Als Nächstes müssen Sie die Prioritäten klären: Welche Anforderungen an Ihre Mitarbeitende zählen am Ende? Sind die Soft Skills doch nur nice-to-have und am Ende werden die fachlich qualifiziertesten Kandidat*innen eingestellt? Oder würden Sie sich doch für die vermeintlich schwächeren Kandidat*innen entscheiden, wenn diese deutlich besser fürs Team scheinen?

Wenn Sie Teamgeist und Teamarbeit fördern wollen, sollte Ihre Antwort auf diese Frage klar sein. Die Entscheidung, wer am besten in ihr Team passt, kann wahrscheinlich Ihr Team selbst am besten treffen. Binden Sie Ihre Mitarbeitenden in die Personalauswahl ein. Und bevor Sie das nächste Mal den Begriff „teamfähig“ in Ihren Stellenausschreibungen verwenden, fragen Sie sich bitte, ob Sie das ernst meinen.

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