Agile Entscheidungsfindung: 7+8 Methoden, um (im Team) Entscheidungen zu treffen
Marmelade oder Honig, T-Shirt oder Hemd, Apple oder Android – jeden Tag treffen wir tausende von Entscheidungen, ohne groß nachzudenken. Bei kleineren Entscheidungen, die nur uns persönlich betreffen, ist das kein Problem. Wir sind selbst verantwortlich, für gute wie schlechte Folgen.
Bei Entscheidungen in Unternehmen und Teams ist es nicht so einfach: Unsere Entscheidungen betreffen meist viele, es gibt unterschiedlichste Meinungen und Standpunkte, die Folgen können drastisch sein. Dazu kommt: Oft ist gar nicht klar, wer überhaupt eine Entscheidung treffen kann, darf und will.
Deshalb müssen sich Führungskräfte die Frage stellen, wie sie Entscheidungen für und mit ihrem Team treffen. Darauf gibt es nicht die eine, richtige Antwort. Agile Entscheidungsfindung ist gefragt, passend zur jeweiligen Situation. Was ist genau damit gemeint, und welche Methoden gibt es, im Team Entscheidungen zu treffen?
In diesem Artikel betrachten wir die Möglichkeiten, im Unternehmen zu entscheiden, aus zwei verschiedenen Blickwinkeln:
- 7 Freiheitsgrade, wie Verantwortlichkeiten zwischen Führungskraft und Team geregelt werden können.
- 8 Methoden, um im Team Entscheidungen zu treffen
Agilität darf nicht Unberechenbarkeit heißen
Was heißt agile Entscheidungsfindung konkret im Alltag? Schwierig zu sagen, denn das Wesen der Agilität liegt der Definition nach im permanenten Wandel, in der „Nicht-Festgelegtheit“. Dasselbe gilt für das Konzept des Agile Leadership (Agiles Management) insgesamt.
Nicht gemeint ist, mal so und mal anders zu entscheiden, je nach Belieben zwischen Führungsstilen zu wechseln, heute mal auf den Tisch zu hauen und anderen die eigene Meinung aufzuzwingen, und morgen ein Thema im Team zu Tode zu diskutieren.
Selbst wenn es heißt, erlernte Gewohnheitsmuster zu durchbrechen und Dinge auch „mal auf eine andere Art“ anzugehen, darf Agilität bei Kolleg*innen und Mitarbeitenden nicht als Unberechenbarkeit ankommen. So schlimm manche Macken von Chefs*innen sind, man sollte sich wenigstens auf sie verlassen können.
7 Freiheitsgrade für Entscheidungen im Team
Bevor Entscheidungen überhaupt im Team getroffen werden können, muss das Team von den Führungskräften dazu ermächtigt und befähigt werden. Doch nicht jede Entscheidung darf und sollte im Team getroffen werden; Vorgaben aus der Geschäftsführung müssen manchmal einfach umgesetzt werden. Andererseits mischen sich gute Führungskräfte nicht in jede Kleinigkeit und gewähren ihre Teams möglichst große Eigenverantwortung.
Wie finden Führungskräfte die richtige Balance? Sie müssen ihrem Team abhängig von der Situation oder der zu treffenden Entscheidung das richtige Level an Freiheit gewähren; oder andersherum ausgedrückt, ein bestimmtes Level an Zwang auszuüben.
Um es noch konkreter und praktisch umsetzbar zu machen, unterteilen wir die Skala der agilen Entscheidungsfindung in sieben Stufen:
- Ansagen: Führungskräfte treffen Entscheidungen alleine. Sie erklären zwar die Gründe, es gibt aber keine Diskussion.
- Verkaufen: Führungskräfte treffen Entscheidungen und versuchen, diese dem Team gut zu verkaufen. Im Endeffekt bleibt es ihre persönliche Entscheidung.
- Beraten lassen: Führungskräfte fragen zuerst nach den Meinungen im Team und beziehen die unterschiedlichen Sichtweisen mit ein, wenn sie die Entscheidung treffen.
- Konsens: Führungskräfte besprechen sich mit dem Team und versuchen, eine gemeinsam getragene Entscheidung herbeizuführen.
- Beraten: Führungskräfte teilen dem Team ihre Meinung mit, lassen es danach aber selbst eine Entscheidung treffen.
- Information: Führungskräfte lassen ihr Team komplett selbst entscheiden und möchten nur über das Ergebnis informiert werden.
- Delegieren: Führungskräfte überlassen dem Team die vollständige Verantwortung, eine Entscheidung zu treffen und halten sich ganz raus.
So eine Art „Baukasten“ ist hilfreich, um in verschiedenen Situationen den richtigen Grad an Freiheit und Verantwortung zu finden. Doch selbst wenn Führungskräfte die verschiedenen Methoden beherrschen, bleibt die Herausforderung, zu erkennen, wann welche Methode zielführend ist.
Sollen sie die Arbeitszeiten fest vorschreiben oder komplett den Mitarbeitern überlassen, solange die Ergebnisse stimmen? Müssen sie in kritischen Zeiten auf den Tisch hauen, klare Ansagen machen, oder doch gerade dann im Team entscheiden, damit auch wirklich alle an einem Strang ziehen?
8 agile Methoden für Entscheidungen im Team
Sobald Führungskräfte ihr Team (mit) entscheiden lassen – ab Stufe 4: Konsens – liegt es beim Team, die richtige Entscheidungsmethode zu finden. Dafür steht ihnen ein Werkzeugkasten mit acht verschiedenen Methoden zur Verfügung:
- Abstimmen: Das Team stimmt offen oder geheim ab, zum Beispiel mit Handzeichen oder mit Moderationskarten. Die Stimme jedes Team-Mitglieds zählt gleich.
- Diskutieren: Die Team-Mitglieder diskutieren ein Thema, bringen ihre Argumente vor und versuchen, die anderen zu überzeugen. Das stärkste Argument gewinnt, unabhängig von der Person, die es vorgebracht hat.
- Sich einigen (Konsens): Die Team-Mitglieder bringen ihre unterschiedlichen Perspektiven und Interessen in die Diskussion ein. Zusammen versuchen sie, eine Lösung zu finden, mit der alle leben können – dafür muss jede Partei der anderen ein Stück entgegenkommen.
- Den Weg des geringsten Widerstands gehen: Wenn ein echter Konsens nicht möglich ist, kann das Team sie für die Option entscheiden, die am wenigsten Widerstand erzeugt.
- Die kompetentesten entscheiden: Für spezielle Themen überträgt das Team einzelnen die Entscheidungsgewalt, zum Beispiel, weil sie das größte fachliche Wissen oder die längste Erfahrung haben.
- Entscheiden, solange nichts dagegen spricht (Konsent): Einer oder mehrere aus dem Team stellen ihren Lösungsvorschlag vor. Solange niemand ein stichhaltiges Argument dagegen vorbringen kann, gilt der Vorschlag als angenommen.
- Entscheiden, solange keiner sein Veto einlegt: Einer oder mehrere schlagen eine Entscheidung vor. Team-Mitglieder, die ein Vetorecht besitzen (in der Regel Führungskräfte), können die Entscheidung verhindern. Dafür brauchen sie kein stichhaltiges Argument.
- Nur darüber reden: Wenn eine Entscheidung nicht dringend ist und noch keine gute Lösung gefunden wurde, können die Team-Mitglieder ohne Entscheidung auseinandergehen. Durch den offenen Dialog wurde jedoch das gegenseitige Verständnis gefordert; manchmal ergibt sich die richtige Entscheidung mit der Zeit von selbst.
Kommunikation und Feedback sind die Schlüssel
Egal, welchen Weg Führungskräfte und Team wählen: Offene Kommunikation in alle Richtungen ist der Schlüssel zu guten Entscheidungen. Das Team muss wissen, wann es welche Entscheidung treffen darf. Es muss sich seiner Grenzen und Verantwortlichkeiten, aber auch seiner Freiheiten bewusst sein, wenn es diese nutzen soll. Die Team-Mitglieder müssen herausfinden, welche Entscheidungen sie in welcher Situation am besten mit welcher Methode treffen.
Regelmäßiges Feedback hilft ebenso dabei, die Entscheidungsprozesse zu verbessern: Welche Entscheidung war gut? Welche ging daneben, und warum? Wen müssen wir nächstes Mal besser einbinden? Agilität im Unternehmen bedeutet vor allem, permanent zu lernen und sich zu verbessern – das trifft auch auf die Entscheidungsfindung zu.